9. Folge der Podcast-Reihe „Regionalgeschichte auf die Ohren“: „Es wurden sehr unterschiedliche Willkommenskulturen gelebt“
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Kathrin Nolte: In dieser Folge der Podcast-Reihe „Regionalgeschichte auf die Ohren“ sprechen wir über Willkommenskultur. Bevor es losgeht, möchten wir uns kurz vorstellen. Mein Name ist Kathrin Nolte und ich verantworte im LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte die Wissenschaftskommunikation. Mein Interviewgast Dr. Matthias Frese ist Mitherausgeber des Sammelbandes „Willkommenskulturen? Re-Aktionen auf Flucht und Vertreibung in der Aufnahmegesellschaft der Bundesrepublik“. „Wir schaffen das!“: Dieser Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel steht sinnbildlich für den Sommer 2015 und das, was im Zusammenhang mit der sogenannten Flüchtlingskrise in den Monaten darauf folgte.
• 0:51 - 0:56
Herr Frese hat sich Deutschland seit der Nachkriegszeit zu einem Einwanderungsland entwickelt?
• 0:57 - 1:36
Matthias Frese: Eigentlich hat es Einwanderung oder Zuwanderung schon immer in die deutschen Staaten und auch in das Deutsche Reich gegeben, mal mehr oder mal weniger reglementiert oder behindert. Ein Einwanderungsland mit freier Zuwanderung ist es eigentlich nie gewesen, sondern es gab immer politische Reglementierungen. Wenn man aber in die Nachkriegszeit schaut, so haben wir es mit einer außergewöhnlichen und auch wohl einmaligen Konstellation zu tun.
• 1:37 - 2:21
In die besetzten Gebiete des ehemaligen nationalsozialistischen Deutschland sind im Laufe der Nachkriegsjahre etwa 11/ 12 Millionen Menschen zugewandert, geflüchtet, Vertreibungsopfer mehrfach zugewandert, mehrfach die Landesgrenzen überschreitend, von einem Aufnahmeort zum anderen gekommen. Diese Bewegungen, Bevölkerungsbewegungen sind politisch und durch Gewalt erzeugt worden.
• 2:21 - 3:05
Gleichzeitig gibt es auf dem Gebiet des ehemaligen Deutschen Reiches weitere Migrationsbewegungen. Da sind zum einen die verschleppten Zwangsarbeiter und ehemaligen, dann befreiten Kriegsgefangenen in millionenfacher Zahl, die entweder in ihre Heimatländer zurückkehren wollen oder auch nicht wissen, was sie machen sollen. Da sind Befreite aus den Konzentrationslagern aus Osteuropa über Deutschland nach Israel oder in die USA ausreisende jüdische sogenannte Displaced Persons.
• 3:05 - 4:09
Also man muss sich vorstellen, in diesen wenigen Jahren ist unglaublich viel Bewegung in den besetzten Gebieten. Und man kann eigentlich sagen, der Begriff Einwanderungsland passt dort nicht. Wenn man ihn in die längere Sicht sieht, bleiben natürlich viele dieser Menschen auch in der Bundesrepublik oder auch in der DDR und werden zu Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes und werden […] Es folgen ihnen weitere Zuwanderer, seien es Migranten, die als angeworbene Arbeitskräfte in die Bundesrepublik oder in die DDR kommen oder seien es später politische Verfolgte, die Asyl beantragen, seien es dann Aussiedler, sogenannte Aussiedler aus der Sowjetunion und dem heutigen Russland oder den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.
• 4:10 - 4:37
All das sind Migrationsbewegungen und man kann eigentlich mit Fug und Recht sagen: Auch die Bundesrepublik, aber auch die DDR waren Zuwanderungsländer, die politisch reglementiert, mal mehr, mal weniger diese Bewegungen, Migrationsbewegungen erlaubt oder behindert haben. Der Begriff Einwanderungsland, ja, das wars und ist es geworden.
• 4:38 - 4:58
Kathrin Nolte: Jetzt haben sie sich ja in dem Sammelband vornehmlich mit der Aufnahmegesellschaft beschäftigt. Nämlich den Blick verändert, nicht primär auf die Flüchtlinge und auf die Vertriebenen geguckt, sondern geguckt, wie Gesellschaften diejenigen aufgenommen haben. Welche Willkommenskulturen herrschten denn in der Bundesrepublik vor?
• 4:59 - 5:31
Matthias Frese: Sie haben völlig zu Recht jeweils den Plural verwendet und wir haben eigentlich auch immer darauf Wert gelegt, den Plural zu verwenden. Zum einen Willkommenskulturen und zum anderen auch gerne den Begriff Aufnahmegesellschaften verwendet, weil es völlig divers ist, wenn man auf die Beteiligten schaut. Willkommenskulturen in Aufnahmegesellschaften heißt, es gibt keine Homogenitäten.
• 5:31 - 6:37
Sowohl die Aufnehmenden, also die sogenannten Einheimischen, sind keine homogene Gruppe als auch die Flüchtlinge und Vertriebenen in der Nachkriegszeit sind keine homogene Gruppe. Es ist immer sehr unterschiedlich, je nach Zeit und Vorerfahrungen der Flucht und Vertreibung, der Erfahrungen, der des Kriegsendes, der NS-Zeit mit den dort zwangsweise beispielsweise in die ländlichen Gebiete oder in die Städte verbrachten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen mit dem Umgang mit dem Bombenkrieg und den Erfahrungen des Kriegsendes aufseiten der der Aufnehmenden der Zuwanderer mit, die häufig mehrere Fluchtetappen haben, mit die Erfahrungen mit Gewalt und mit Hilfe, aber auch verweigerter Hilfe.
• 6:38 - 7:09
All das führt dazu, dass wir es eben mit sehr unterschiedlichen Gruppen [zu tun] haben, die auch unterschiedliche Willkommenskulturen und Aufnahmegesellschaften leben. Wenn man nach Aufnahme schaut, dann wird häufig von Integration gesprochen. Von Integrationsverläufen aufseiten der Zuwandernden.
• 7:09 - 7:44
Und das wird häufig als ein Anpassungsprozess der Zuwanderer an die Mehrheitsgesellschaft verstanden. Es ist sicherlich auch richtig so, dass es in der, wenn man draufschaut, es mehrheitlich ein Anpassungsprozess der Zuwandernden ist. Aber Integrationverläufe sind häufig in 3/ 4 Etappen zu beobachten und damit hängt auch der Begriff Willkommenskulturen zusammen.
• 7:45 - 8:36
Zunächst herrscht so was wie Empathie und Hilfsbereitschaft. Das kann man auch bei den Flüchtlingen und Vertriebenen des Jahres 1945/46 beobachten, die hier ankommen. Da gibt es durchaus eben große Hilfsbereitschaft. Diese häufig ausgehungerten, mit wenig Gepäck ausgestatteten Personen, denen unter die Arme zu greifen. Es gibt aber auch gleichzeitig sofortige Ablehnung und sofortige Ausbeutung dieser Personen, wenn sie zwangsweise in die Bauernhöfe oder in die Wohnungen der Aufzunehmenden gebracht werden, die ja dann sich sehr einschränken müssen, die auch Kriegserfahrungen, möglicherweise ganz grauenhafte Kriegserfahrung hinter sich haben, sich weiter einschränken müssen.
• 8:37 - 9:17
Nur dass diese die zwangsweisen Einquartierungen nicht als Zugewinn sehen, sondern durchaus als eine Bedrängnis empfinden und dann eben nicht hilfsbereit sind. Also das gibt es ganz breit nebeneinander. Eben diese Empathie, diese Willkommenskultur wird häufig rasch abgelöst, eben durch oder begleitet auch schon von Anfang an durch eine emotionale Ablehnung und ein Absperren von Hilfe aufseiten der Aufnehmenden.
• 9:18 - 9:56
Und wird dann wieder abgelöst im weiteren Verlauf aufseiten der Aufnehmenden durch Abwägen, dass auch positivere Einstellungen, die sich herausbilden, nachdem man eine ganze Weile mit den Leuten zusammengelebt hat, nachdem man etwas über sie erfahren hat und nachdem man auch so eine Meinung möglicherweise geändert hat. Und im weiteren noch längeren Verlauf kann man sagen, haben Integrationsabläufe so etwas wie eine Privatisierung der Bewältigung quasi in einem letzten Schritt, die häufig auch begleitet wird durch sozialstaatliche Einrichtungen.
• 9:57 - 10:34
Das heißt die Opferhaltung und die Bedrängnishaltung rutscht in den Hintergrund und wird nicht mehr so offen wahrgenommen. Aufseiten der Aufnehmenden aufseiten der Zuwanderer ist sie viel länger in der Erinnerung. Das zeigen Interviews mit den heute ja sehr Hochbetagten oder Leuten oder deren Kindern, dass das lange im kommunikativen Gedächtnis dieser Familien transportiert wurde.
• 10:35 - 11:19
Das sind Integrationsverläufe, die sehr schematisch sind. In der Geschichtswissenschaft unterscheidet man bei der Aufnahme und Integration [von] Zwangsmigrierten, der Flüchtlinge und Vertriebenen mehr oder weniger drei große Entwicklungen und drei Bereiche, die für eine gelungene Integration wichtig sind. Das erste ist, dass es so etwas wie eine rechtliche Gleichstellung gibt, dass es eine Wohnung, die Wohnungsfrage geklärt ist und es Beschäftigungsmöglichkeiten, Arbeitsplätze gibt.
• 11:20 - 12:07
Das ist ein ganz wichtiger Bereich, der auch den Zugewanderten ermöglicht, teilzuhaben und den sozialen Aufstieg zu erleben. Die meisten Leute, das konnten wir in dem Band beispielsweise an vielen verschiedenen Beispielen gezeigt bekommen, die meisten Zugewanderten erleben ja so etwas wie sozialen Abstieg zunächst. Da kommen Großbauern oder Bauern zugewandert, haben ihren Grund und Boden verloren und werden häufig als Knechte und Mägde eben auf den Bauernhöfen beschäftigt, in Abhängigkeitsverhältnissen, die sie vorher gar nicht so kannten.
• 12:07 - 12:40
Da kommen Leute aufs Land, die vorher als Lehrer oder Angestellte in der Verwaltung beschäftigt waren und sollen jetzt irgendwie auf dem Land helfen, haben keine Ahnung, waren vorher möglicherweise in ihrem Beruf anerkannte Personen und sehen sich plötzlich in Hilfstätigkeiten gedrängt und empfinden das auch als sozialen Abstieg. Dadurch ergibt das auch eine vielfach zu beobachtende zweite Migration.
• 12:40 - 13:12
Also die Leute kommen an, werden irgendwie untergebracht. Hier in Münster oder in Warendorf oder in verschiedenen anderen Teilen des Münsterlandes wurde das schön gezeigt. Und die, die können migrieren häufig noch ein zweites oder drittes oder viertes Mal. Wenn Sie einen Arbeitsplatz finden, wenn Sie eine Unterkunft finden, dann haben Sie so für sich so etwas wie eine Zukunft und eine gesicherte Position wieder erworben.
• 13:12 - 13:32
Kathrin Nolte: Hat das dann auch mit Wertschätzung zu tun? Also das ist ja dann so von der anfänglichen Aufnahme, die ja vielleicht in vielerlei Hinsicht auch erst mal notdürftig war, kann man sagen, dass man dann wieder seinen eigenen vorherigen Lebensstandard zu mindestens oder hoffentlich ansatzweise wieder so […]
• 13:32 - 14:05
Matthias Frese: Dass es wie der vorherige Lebensstandard ist, ist in ganz vielen Fällen bei dem Beispiel das Bauern zu bleiben, nicht wiederherzustellen. Diejenigen, die kommen und vorher Landwirte waren, haben in ganz geringer Zahl hier wieder Grund und Boden bekommen, den sie bearbeitet haben. Es ist auch ganz wichtig zu sehen, welches Alter die Leute hatten. Sind Sie noch mal willens, fähig, körperlich in der Lage, mental in der Lage gegebenenfalls einen anderen Beruf zu ergreifen?
• 14:05 - 14:39
Jüngere Leute hatten keine Ausbildung, waren Soldaten gewesen, waren auf der Schule oder in irgendwelchen Arbeitsdiensten tätig gewesen und mussten erst oder konnten jetzt erst einen weiteren Lebens- und Berufsweg beschreiten. Das kann eine Chance sein, weil sie sich so oder so neu orientieren müssen. Jemand, der ein teilweise erfolgreiches Leben hatte, der hat sich da schwergetan.
• 14:39 - 15:18
Und mit dem Weitermigrieren, das will ich eigentlich nur sagen, dass man sich das nicht irgendwie als Ankunft und Bleiben vorstellen kann, sondern da ist unglaublich viel Bewegung und Umzüge sind da vorhanden. Ein weiteres Beispiel, das ich vorhin nicht genannt habe oder nur angesprochen hatte, waren diejenigen, die zum Beispiel aus dem Ruhrgebiet als Ausgebombte oder Kinderlandverschickung hier irgendwo in die Dörfer gekommen sind und Schwierigkeiten hatten, in ihre Städte zurückzukehren, weil das Ruhrgebiet zunächst gesperrt war.
• 15:18 - 15:49
Da hatte man eine Zuzugsperre, da konnte man nicht hin. Es sei denn, man war bereit in einen der als wichtig erachteten Industriezweige wie beispielsweise den Bergbau zu gehen. Das war auch nicht Jedermanns-Sache in diesem Fall, weil das ein harter Beruf, ein gefährlicher Beruf ist und man das nicht unbedingt wollte. Und diese Zuzugsperren, sind dann umgangen worden.
• 15:49 - 16:52
Teilweise es dann eine unerlaubte Migration, die immer mit Gefahren und mangelnder Versorgung verbunden war. Aber so nach und nach wird es ermöglicht. Und diese Leute gehen dann ja auch wieder aus den Dörfern wieder weg. Oder je nachdem die Erwerbstätigen gehen weg und ihre Familien ziehen dann irgendwann wieder nach in die ja auch stark zerstörten Städte, beispielsweise das Ruhrgebiet. All das zeigt, dass man Aufnahmegesellschaften und Willkommenskulturen im Plural sehen muss und wenn man auf die Aufnehmenden schaut, eben dann auch auf die unterschiedlichsten Voraussetzungen der Orte und der Personen schauen muss und dann möglicherweise auch erkennt, dass diese Leute durchaus, auch wenn sie scheinbar ablehnend gehandelt haben. Durchaus begründet, aus ihrer Perspektive begründet gehandelt haben.
• 16:52 - 17:07
Dass es nicht einfach nur schlechte Menschen waren, sondern durchaus auch auf ihrer Seite manchmal ganz plausible Gründe hatten die, die sie so handeln ließen, wie sie gehandelt haben.
• 17:07 - 17:20
Kathrin Nolte: Da haben sie schon viele Beispiele auch genannt. Können Sie noch ein bisschen was dazu sagen, was denn eher so trennend zwischen den Einheimischen und Neuankömmlingen wirkt oder was es auch für Gemeinsamkeiten gibt?
• 17:21 - 17:52
Matthias Frese: Trennend ist auf jeden Fall immer die Frage des Besitzes. Diejenigen, die irgendwo schon sind, haben meistens eine längere Zeit der Anwesenheit hinter sich, haben in irgendeiner Form Besitz und Sicherheiten in einem größeren Umfang als diejenigen, die zuwandern. Trennend sind häufig auch Kultur, Sprache, häufig auch Konfessionen.
• 17:52 - 18:23
Hier im Münsterland kommen ganz viele protestantische […] Also Flüchtlinge, Vertriebene mit protestantischer Konfession oder Konfessionen in das doch sehr dominant katholische Münsterland auf die Dörfer. Und dort treffen Kulturen aufeinander, die sich nicht unbedingt freundlich sind. Das geht dann […]
• 18:23 - 18:56
Das schildern hier die Beiträge, die auf Oral History beruhen, sehr anschaulich. Das geht in die Verletzung der […] führt zu Verletzungen der damals jungen Menschen, die bis in die Gegenwart in die heutige Gegenwart nachweisen, dass sie sagen: Das kann man überhaupt nicht nachvollziehen, warum es verboten wurde, dass der eine oder der andere miteinander, die miteinander nicht spielen durften oder in der Schule schikaniert wurden oder oder oder.
• 18:56 - 19:30
Das gibt eben dort […] Die Frage der unterschiedlichen Konfessionen ist hier im Münsterland eine sehr bedeutende Sache gewesen. Trennend sind natürlich auch die unterschiedlichen Erfahrungen mit der Flucht und der Aufnahme aufseiten der Flüchtlinge und Vertriebenen. Das sind ja zwei verschiedene Gruppen. Die einen, die Vertriebenen definieren sich als diejenigen, die zwangsweise vertrieben worden sind.
• 19:30 - 20:07
Die anderen sind häufig Flüchtlinge, die aus Kriegs umkämpften Gebieten gekommen sind und das darf man nicht vergessen, für die Frühphase häufig auch noch Rückkehrerwartungen hatten, die dann nach einigen Monaten herbe enttäuscht wurden und bei einzelnen Flüchtlingen- und Vertriebenengruppen ja noch lange nachgewirkt haben bis in die 1970er Jahre hinein. Dass es die Erwartung gab, irgendwann einmal wieder in die eigentliche Heimat zurückkehren zu können.
• 20:08 - 20:39
Das nimmt ab mit der Zeit. Und damit kommen wir zu den Gemeinsamkeiten. Die Gemeinsamkeiten sind zunächst mal die Not des Kriegsendes. Das Ende, das wird auf allen Seiten erlebt, die Legitimation der bisherigen Herrschaft. Eine Neue kommt auf. Das ist auch eine Gemeinsamkeit. Man muss sich den Besatzungsmächten stellen. Alle haben in irgendeiner Form Verlusterfahrungen.
• 20:40 - 21:12
Man muss bestimmte Routinen wieder aufleben, aufnehmen. Es gibt häufig keine stabilen Familienbeziehungen beziehungsweise eben Trennungen und Notsituationen durch zerstörte Bekannte, zerstörte Familien- und Freundeskreise auf allen Seiten. Das sind Gemeinsamkeiten, die zumindest kann man darüber sprechen.
• 21:12 - 21:46
Die einen haben natürlich sehr viel höher das Gefühl, sie sind die eigentlichen Opfer und müssen sehr viel mehr leiden als diejenigen, die hier in ihrer immerhin noch vertrauten Umgebung leben können. Es geht eigentlich darum, dass man sich davon trennt von der Vorstellung: Es gibt die eine Gruppe und die andere Gruppe.
• 21:46 - 22:18
Interessant ist der Blick der einen Gruppe auf die andere Gruppe. Die Anwesenden sehen die Flüchtlinge häufig als eine homogene Gruppe, was sie nicht waren und die Flüchtlinge und die Vertriebenen sehen die anwesenden Einheimischen häufig auch als eine homogene Gruppe, was sie nicht waren, denn auch da gibt es unterschiedlichen sozialen Status, Besitztümer. Manche Leute haben eben wenig oder nichts, manche haben was verloren.
• 22:18 - 22:46
Das wird als solches erst mal gar nicht so wahrgenommen, sondern es gibt durchaus den Blick auf die einzelnen Leute, der nicht differenziert. Aber aus dem Blick der Geschichtswissenschaft muss man eben sagen und aus dem Rückblick: Es sind eben keine homogenen Gruppen, die da miteinander zusammenkommen und zusammenfinden müssen.
• 22:46 - 22:53
Kathrin Nolte: Welchen Beitrag kann die Geschichtswissenschaft denn auch zur immer noch aktuellen Flüchtlingsfrage leisten?
• 22:54 - 23:33
Matthias Frese: Also die Geschichtswissenschaft, das ist erst mal banal, gibt keine Empfehlungen ab, aber sie kann zeigen, wie in bestimmten Konstellationen gelebt und gehandelt wurde und sie kann zeigen, welche Problemlagen aufgetaucht sind und wie Problemlagen bearbeitet wurden. Welche Sachen nicht gut gelaufen sind, welche Sachen gut gelaufen sind. Daraus kann man lernen. Das ist, glaube ich, ein Beitrag, den die Geschichtswissenschaft für die Gegenwart bringen kann, ohne dass daraus eine Handlungsempfehlung erwachsen kann.
• 23:34 - 23:38
Kathrin Nolte: Alles klar. Dann gucken wir mal, was dann noch passiert. Vielen Dank für das Gespräch.