Interview
„Tagungen können die eigene Forschung beschleunigen“
Historiker:innen präsentieren ihre Forschungsergebnisse regelmäßig auf Tagungen und Konferenzen. Im Gespräch mit Kathrin Nolte erklärt Dr. Matthias Frese, wissenschaftlicher Referent am LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, warum der fachliche Austausch mit Kolleg:innen in den Geisteswissenschaften wichtig ist und welchen Stellenwert die Vernetzung im Berufsalltag einnimmt.
Welche Bedeutung nehmen Konferenzen und Tagungen beim geisteswissenschaftlichen Arbeiten ein?
Konferenzen und Tagungen bieten den großen Austausch und die Präsentation von eigenen Forschungsergebnissen vor der Veröffentlichung in Büchern oder Internetbeiträgen. Ferner bieten sie das Kennenlernen anderer Forschungen, Ansätze und Positionen sowie – zentral – den direkten Kontakt mit einzelnen Personen, die man sonst nur über die Literatur, per Zoom und E-Mail oder eben bisher noch gar nicht kennt. Tagungen und Konferenzen können also die eigene Forschung beschleunigen oder zum Nachdenken zwingen, wenn man sieht, dass man selbst seine eigenen Forschungen modifizieren muss. Die Geisteswissenschaften unterscheiden sich dabei sicherlich wenig von anderen Wissenschaftsfächern.
Wodurch zeichnen sich Workshops aus?
Sie sind niederschwelliger, häufig nicht mit nachfolgenden Publikationen in Form von Sammelbänden verbunden und erlauben es, mehr Ansätze und Interpretationen vorzutragen. Meist werden weniger fertige Ergebnisse, sondern erste Vorhaben und Ideen präsentiert. Schließlich sind Tagungen und Workshops indirekt auch Jobbörsen, bei denen Ergebnisse und daraus folgende Forschungen diskutiert werden, die wiederum in Projekte und Stellen münden können.
Warum ist der fachliche Austausch wichtig?
Er ermöglicht es, die eigenen Argumente, Herangehensweisen, Quellenauswertungen und Forschungsfragen in der Diskussion vorzustellen, auszuprobieren, zu entwickeln und zu testen. Zugleich lernt man von anderen Historiker:innen. Durch die Diskussion und den Austausch wird man außerdem dazu gezwungen, sich mit (Nach-)Fragen – auch und besonders mit kritischen Fragen – auseinanderzusetzen. Es kann beispielsweise passieren, dass man Inhalte präsentiert, die andere schon längst über ältere Forschungen kennen, da es auch ein Vergessen und Neuerfinden in der Forschung gibt.
Wie wird die Forschung durch die Vernetzung bereichert?
Vernetzung bedeutet oder ermöglicht noch intensiveren, auf längere Sicht gestellten Austausch und Kooperation bis hin zu gemeinsamer Bearbeitung von Projekten. Wichtig ist ein regelmäßiger, möglichst auf Dauer angelegter Austausch. Keiner kann alles können, da hilft eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe weiter. Vernetzung funktioniert in kleinen Arbeitsgemeinschaften und Teams bis hin zu größeren bereichsbezogenen Arbeitskreisen. Gute Vernetzung kann außerdem auch nach Jahren für gemeinsame Projekte revitalisiert werden.
Vom 22. bis zum 23. September 2022 findet die Tagung „Kurorte in der Region. Gesellschaftliche Praxis, kulturelle Repräsentationen und Gesundheitskonzepte vom 18. bis 21. Jahrhundert“ statt, die Sie mitplanen. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie bei der Organisation einer solchen Tagung?
Zunächst gilt es, das Tagungsthema genau zufassen, einzugrenzen und an die laufenden Forschungen anzuschließen. Dann muss das Organisationsteam die Konzeption und die Zielsetzungen klären, Verantwortlichkeiten absprechen, Einzelthemen festlegen und dazu Beiträger:innen finden sowie Inhalte genauer absprechen und modifizieren. Anschließend gilt es, einzelne Themenblöcke zu bilden, um das Programm schlüssig zusammenzustellen. Im Verlauf der Vorbereitung und auch bis zur Tagung selbst können immer wieder verabredete Beiträger:innen abspringen. Passende Alternativen zu finden, gelingt leider nicht immer. Parallel läuft die Tagungsorganisation mit der Terminfindung, der Veranstaltungsort-Suche und dem Gesamtablauf inklusive Unterbringung, Anreise, Verpflegung sowie eines gemeinsamen Treffens aller Beiträger:innen abseits der Vorträge. Zeitgleich beginnt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit durch Call for Paper, Ankündigungen und Anmeldefristen sowie der Programmbekanntgabe. Bis zur Veranstaltung müssen die gewonnenen Beiträger:innen schließlich bei Laune und bei ihrer Zusage gehalten werden. Dies geschieht durch regelmäßige Infos zum Veranstaltungsablauf und zum eigenen Beitrag. Auf der Tagung selbst gilt dann ungeachtet aller vermeintlichen Eitelkeiten: Entscheidend ist auf dem Platz!
Zum Programm der Tagung „Kurorte in der Region. Gesellschaftliche Praxis, kulturelle Repräsentationen und Gesundheitskonzepte vom 18. bis 21. Jahrhundert“ (nicht barrierefrei)